Ich würde gern sagen, dass alles zum Besten steht

307270_original_R_K_B_by_110stefan_pixelio.deDer Sommer hat sich zurückgemeldet. Herrlicher Sonnenschein, der Himmel zeigt sich von seiner besten Seite, im Garten wetteifern Hummeln, Bienen und Wespen um die schönsten Blüten. Der Kirschbaum ist schon leer, die Vögel haben in wenigen Tagen ganze Arbeit geleistet.

.

Ringsum auf den Getreidefeldern ziehen Mähdrescher ihre Runden, hinter sich große Wolken aus Staub und Spreu. Der Duft gereifter Ähren liegt in der Luft. Die Maisfelder stehen in sattem Grün aber die kleinen, schütteren Haarkronen auf den einzelnen prallen Maiskolben zeigen bereits an, dass auch hier die Ernte nicht mehr sehr lange auf sich warten lassen wird. Dann gestern ein typischer Sommerregen während eines Spazierganges. Im Handumdrehen waren T-Shirt, Hose und Haare durchnässt, das angenehm temperierte Wasser lief über mein Gesicht, an den Armen und Beinen hinunter und veranlasste mich, den Regen mit ausgebreiteten Armen zu begrüßen. Ein Sommernachmittag, wie man ihn sich nur wünschen kann.

Dennoch:

Zur gleichen Zeit sucht jemand verzweifelt in den Trümmern seines Hauses nach seinen Angehörigen, nach Kindern, Frau, Eltern, Geschwistern, Nachbarn, Freunden oder seinem geliebten Haustier. Ein anderer versucht, verzweifelt gegen die Strömung einer alles einebnenden Welle überlaufender Flüsse anzukämpfen, um aus den Resten seines Hauses dem Wasser noch ein paar wenige Habseligkeiten zu entreißen. Anderenorts schaut eine Mutter mit stumpfem Blick in die Augen ihrer Kinder, unfähig zu erklären, warum Hunger so weh tut und unfähig die Worte zu finden, die Hoffnung auf ein wenig Brot am nächsten Tag machen. Währenddessen ziehen verängstigte Menschen die Vorhänge der Fenster ihrer Unterkunft zu, weil vor dem Haus wieder eine grölende Meute ihrem Hass auf alles freien Lauf lässt, was fremd ist, hier nicht hingehört oder ihr vermeintlich Weniges auch noch schmälern will. In halb zerstörten Häusern irgendwo auf diesem Globus ziehen zitternde Menschen wieder den Kopf ein, weil Granateinschläge bedrohlich nah sind und auf irgendeiner Straße stirb ein Mensch, weil über ihm am Himmel eine kleine, seelenlose Maschine todbringende Geschosse abgefeuert hat, begleitet von einem befriedigten „Chaka“ eines anderen Menschen, der tausende Kilometer entfernt in einem klimatisierten Raum mit sparsamen Bewegungen eines Joysticks und gelegentlichem Knopfdruck diese Maschine ihr tödliches Werk tun lässt.

Und gleichzeitig:

Wird irgendwo ein Kind geboren, blickt zum ersten mal in die strahlenden Augen seiner Mutter. Werden Häuser gebaut, Betten frisch bezogen, Frühstückstische gedeckt. Jemand schenkt ein Glas Wein ein, ein anderer holt mit schweren Schritten eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank. Kinder in adretten Uniformen singen ihre Hymne, sprechen feierlich zusammen mit ihrer Lehrerin das Schulgebet, während ihre Mütter daheim das Mittagessen vorbereiten. Jemand wirft einen flüchtigen Blick auf seinen Gehaltsscheck und steckt in ein während er beschließt, nach Feierabend noch durch die Autowaschstraße zu fahren und seiner Frau einen Blumenstrauß mitzubringen. Ein Minister tritt zurück, ein Journalist verrät seine Ideale um seinen Job zu behalten und ein Nachrichten-sprecher kämpft mit dem unaussprechlichen Namen eines Mullahs…

Triviales, Tragisches, Bedrohliches, Hoffnungsvolles, Trauriges und Schönes – all das geschieht, während mein Sommernachmittag so ist, wie ein Sommernachmittag sein sollte. Ich kann nicht sagen, dass alles zum Besten steht, ganz im Gegenteil. Aber wir können es besser machen. Unser Glück teilen und Leid gemeinsam tragen, einen anderen Weg gibt es nicht. Es kann keinen anderen Weg geben, weil alles mit allem verbunden ist auf dieser Erde, die doch immer noch und immer wieder so unglaublich schön ist.

Foto: 110stefan / pixelio.de

By:

Posted in:


2 Antworten zu “Ich würde gern sagen, dass alles zum Besten steht”

Hinterlasse einen Kommentar